Wie entstand das Patriarchat und die Rolle des Vaters?
Wie hat die Bibel Männer dabei unterstützt, eine patriarchale Gesellschaft zu erschaffen?
Der Anthropologe Carel van Schaik und der Bibelforscher Kai Michel kombinieren ihr Forscherwissen zu einer neuen Perspektive auf die Welt, die uns heute umgibt.
Die kurze Version:
Unsere Vorfahren lebten in Wäldern, bevor sie auf Grund von Klimaveränderungen in die Savanne zogen. Der aufrechte Gang entwickelte sich, um so eine besserer Überblick in der neuen Lebensumgebung zu haben. Die Gruppe und der Zusammenhalt ihrer Mitglieder garantierten das Überleben des Einzelnen.
Es waren die Frauen, die Gewalt innerhalb der Gruppe als existenzielle Bedrohung erkannten. Kooperation und das kulturelle Sanktionieren von Gewalt wurde zum Erfolgsmodell. Es entwickelte sich über hunderttausende Jahre eine egalitäre Gesellschaft, in deren Zentrum die Mütter standen: Das Matriarchat. Die Familien lebten in Clan-Häusern, die der Mutter gehörten. Die Töchter wählten in anderen Clan-Häusern ihre Geliebten im Rahmen einer Besucherehe und gebaren den Nachwuchs. Kinder kamen in der Vorstellung unserer Ahnen aus dem Kosmos, aus der Mutter und wurden als wiedergeborene Ahnen verehrt. Der Beitrag des Mannes zur Zeugung war unbekannt. Die Erziehung und Versorgung der Kinder leisteten die Brüder der Tochter. Männer waren also für zehntausende Jahre Bruderväter innerhalb des Mutterhauses. Aus spiritueller Perspektive lebten unsere Ahnen in einer Welt der Göttinnen und verehrten des Kosmos als den Ursprung des Seins.
Vor ca. 6000 Jahre veränderte sich das Klima, das Land trocknete aus. Unsere seßhaft gewordenen Ahnen zogen auf der Suche nach neuen Weidegründen umher und stießen auf andere Hirten.
Gewalt wendete die Not. Männer begannen, das Modell der Konkurrenz zu reaktivieren und kultivierten als Reiterhirten den Krieg. Diese Notlage veränderte das Konzept des Zusammenlebens. Männer erfanden die Rolle des Vaters als Herrscher, Priester, Richter und Ernährer der Familie. Gewalt gegen Frauen, Kinder, Nachbarn und Natur wurden zum Leitbild im Patriarchat.
Auf spiritueller Ebene entstand der Monotheismus. Der Vater im Himmel löste Mutter Erde, Naturgeister und die Vorstellung von Göttinnen, Unter- und Oberwelten ab.
Die Bibel wurde zum Sprachrohr des Patriarchats. Eine kleine Elite von Priestern erhob den Kanon der 66 Bücher zum Wort Gottes. Die Natur als Untertan und die Frau als Rippengeburt des Mannes verkehrten die bis dahin über hunderttausende Jahre erfahrene Verehrung des Weiblichen in ihr Gegenteil.
Das Christentum als Kolonial-Religion löste in Europa den über zehntausende Jahre gewachsenen Naturglauben ab. Der patriarchale Krieg gegen das Weibliche fand seinen Höhepunkt in den Jahrhunderten der Inquisition und Hexenverfolgung.
Für die Versöhnung und den Frieden mit dem Vater ist diese Geschichte die Basis für Verständnis.