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Carsten Schubert
Wer nichts riskiert, kommt nicht nach Waldheim. Die Geschichte meiner politischen Großväter

Das Zuchthaus Waldheim ist das älteste Gefängnis Deutschlands. 1716 von August dem Starken errichtet diente es im Nationalsozialismus (1933-1945) und später im DDR-Sozialismus (1949-1989) zur Inhaftierung von politischen Gegnern der jeweilig herrschenden (patriarchalen) Diktatur.

Der Satz „Wer nichts riskiert, kommt nicht nach Waldheim“ stammt aus den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts und bedeutet im Volksmund: Wenn ein Bürger seine freie Meinung äußert und diese bedroht die Macht der Staatsmacht, dann geht er das Risiko ein, seine Freiheit zu verlieren und in der „Landesstrafanstalt Waldheim“ zu landen.

Aktive Mitglieder der KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) wurden so von der herrschenden NSDAP (Nationalsozialistische Partei Deutschlands) verfolgt. Nach dem zweiten Weltkrieg wendete sich das Blatt der Geschichte.

In der sowjetischen Besatzungszone fand die „Entnazifizierung“ statt. Ehemalige Mitglieder der NSDAP wurden ab 1945 in sowjetischen NKWD-Speziallagern inhaftiert. Die Sowjets nutzten dazu u.a. die von den Nationalsozialisten errichteten Konzentrationslager in Buchenwald (Speziallager Nr. 2) und Sachsenhausen (Speziallager Nr. 7) oder das ehemalige Kriegsgefangenenlager Stalag IV B in Mühlberg (Speziallager Nr. 1). Diese sowjetischen Speziallager gelten im Volksmund als „Schweigelager“. Es wurde über den Verbleib der Verhafteten geschwiegen und ihre Familien erfuhren bis Januar 1950 nicht, was mit den Gefangenen geschah. Auch im Todesfall gab es keine Information an die Hinterbliebenen. Aufgrund der Haftbedingungen lag die Todesrate der 176 000 Häftlinge bei 35 Prozent. Mit Gründung der DDR im Oktober 1949 übergab die sowjetische Militäradministration die letzten 28.000 Gefangenen an die neue Regierung. Jetzt waren die ehemaligen KPD-Mitglieder an der Macht.

Im Sommer 1950 fanden im Zuchthaus Waldheim in die „Waldheimer Schauprozesse“ statt. 3442 ehemalige Mitglieder der NSDAP wurden in Schellverfahren verurteilt. Diese Verfahren dauerten nur wenige Minuten und fanden nur in Ausnahmen mit Verteidigung der Angeklagten statt. Die Urteile waren vorgefertigt und es wurden lange Haftstrafen verhängt. Die Zeit in den Speziallagern (1945-1950) wurde nicht auf die Dauer der Haft angerechnet.

Durch weltweite Proteste wurden die Strafmaße reduziert und die meisten Gefangenen ab 1952 freigelassen. Alle Verurteilten wurden zum Schweigen über ihre Erlebnisse in den Speziallagern und der Haft in Waldheim verpflichtet. Mit der „Wende“ am 9. November 1989 wendete sich das Blatt der Geschichte erneut.

Nach dem Ende des DDR-Sozialismus wurden die Urteile in der Bundesrepublik Deutschland ab 1990 als „Waldheimer Scheinurteile“ aufgehoben und die ehemaligen Häftlinge erhielten Haftentschädigung. Persönliche Einblicke Dieses Video Mein Name ist Carsten Schubert. Dieses Video ist ein Mitschnitt des Vortrags „Wer nichts riskiert, kommt nicht nach Waldheim – die Geschichte meiner politischen Großväter“ auf der Jahrestagung des Kriegsenkel e.V. im Oktober 2019. Inhalt Meine Großväter haben beide die Haft in Waldheim erlebt.

Mein vaterseitiger Großvater Fritz war aktiv in der Arbeiterbewegung der dreißiger Jahre. Er wurde als Mitglied der KPD im Juni 1934 zu vier Jahren Zuchthaus in der Landesstrafanstalt Waldheim mit anschließender Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte für fünf Jahre verurteilt.

Mein mutterseitiger Großvater war Journalist und Herausgeber der Heimatzeitung „Der Bote vom Geising“ in Altenberg/Erzgebirge. Die von seinen Vätern geerbte Druckerei führte er als Familienbetrieb in der 3. Generation. Als Mitglied der NSDAP wurde er im Rahmen der den Waldheimer Schauprozessen wurde er am 27.Juni 1950 zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt. Sein Vermögen wurde eingezogen und das Haus der Familie vom Staat kassiert.

Den Druckereibetrieb übernahm sein ehemaliger Lehrling. Bis zum Lebensende hat er in seinem eigenen Haus zur Miete gewohnt.

Vergebung und Versöhnung

Als kleiner Junge lernte ich die Macht der Vergebung von meinen beiden Großvätern. Sie begegneten sich bei Familienfeiern mit großem Respekt. Wenn sie sich trafen, sagte Fritz: „Schön dich zu sehen, Werner.“ Werner antwortete: „Ja, Fritz, es ist schön.“ Sie gaben sich die Hand, sahen sich an und ein vorsichtiges Lächeln umspielte ihre Lippen.

Dann schwiegen sie und für einen Augenblick erfüllte ein seltsamer Glanz ihre Augen. Diese beiden Männer hatten sich vergeben. Seit dieser Begegnung sind fünfzig Jahre vergangen. Ich habe in den letzten Jahrzehnten das Geheimnis hinter dieser Großvater-Vergebung erforscht.

Diese Erfahrung möchte ich im Projekt Vaterfrieden weitergeben.

Carsten Schubert

© Vaterfrieden Seminar Mitgliederbereich

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